Seit kurzem kann man in Läden in der Schweiz legal Cannabis kaufen. Der Hype ist riesig. Doch was taugt das Gras, und wer baut es an? Das Geschäft mit dem legalen Hanf boomt. Die einen verkaufen ihn als Tabakersatz (und zahlen Tabaksteuern), die anderen versuchen, die Steuern zu umgehen, indem sie ihn als Rohstoff verkaufen. In Zürich kann man bereits an rund zehn Standorten legales Gras erwerben. Auch in Bern und Basel haben entsprechende Shops eröffnet. Wer nicht in der Stadt wohnt, kann sich legales Cannabis per Kurier nach Hause liefern lassen. Vor allem der Onlinehandel floriert.
«Was du damit machst, ist dir überlassen», sagt Agi Petrova und gibt mir ein kleines Döschen Hanfblüten. Sie verkauft das legale Cannabis als Rohstoff. «Purple Haze» heisst ihr bestes Produkt.
Fünf Gramm kosten siebzig Franken. Petrova ist Geschäftsführerin von Green Passion, einem Hanfladen am Zürcher Lochergut.
Zu Hause angekommen, mische ich das Gras mit etwas Tabak und drehe mir einen Joint. Als Nichtraucher spüre ich zuerst vor allem das Nikotin. Doch schon während des Rauchens stellt sich ein wohliges, entspanntes Gefühl ein. Ich werde ein bisschen müde, der Kopf bleibt jedoch völlig klar. Nach dem Rauchen fühle ich mich etwa eine Stunde lang, als wäre ich in Watte gebettet. Danach klingt das Gefühl langsam ab.
Sofern man von einem «Flash» sprechen kann, war er leicht und angenehm.
Kurz nach der letzten Razzia
Ossingen im Zürcher Weinland. Neben einem alten Bauernhaus steht ein grosses Gewächshaus, darin Hanfstecklinge, so weit das Auge reicht. Ich treffe auf einen Produzenten. Seine Firma hat als erste Cannabis mit einem THC-Gehalt von weniger als einem Prozent als Tabakersatz auf den Markt gebracht. «Mein Anwalt hat bereits 2004 eine erste Anfrage beim Bundesamt für Gesundheit eingereicht. Anfang August 2016 haben wir endlich ein Okay erhalten», sagt der Unternehmer.
Rechtlich gesehen ist der Verkauf von Hanf mit weniger als einem Prozent THC schon seit 2011 legal. Das hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) damals festgelegt. «Aber bevor wir die Bewilligung bekommen haben, trauten sich nur wenige, legalen Hanf zu verkaufen», erklärt er. «Darum erleben wir erst seit letztem Sommer diesen Boom.» Der Produzent und Unternehmer ist schon seit rund zwei Jahrzehnten im Hanfgeschäft. Mitte der neunziger Jahre, als sich in der Schweiz für kurze Zeit eine Hanfliberalisierung abzeichnete, gehörte er zu den Ersten, die in der Schweiz grossflächig Hanf anbauten.
Um die Jahrtausendwende wurden alle Grasshops samt ihrer Produktion von den Behörden zerschlagen. Auch er war betroffen: Im September 2000 stürmten zwei Hundertschaften Polizisten sein Gelände. Sogar ein Helikopter war im Einsatz. «Ich erhielt ein dreijähriges Verbot, mit Hanf zu arbeiten, und hatte ein Verfahren am Hals, das aber 2009 eingestellt wurde», erzählt er.
Nach Schliessung der Hanfshops fiel das Cannabisgeschäft zu weiten Teilen in die Hände der organisierten Kriminalität. Dadurch stieg auch die Gewaltbereitschaft. Der Einsatz von Schusswaffen im illegalen Hanfhandel ist heute keine Seltenheit mehr.
Im Sommer 2015 erlebten sie die letzte Razzia. Er und mehrere Angestellte verbrachten einen Tag in Polizeihaft. Der Staatsanwalt wollte alle Pflanzen abschneiden lassen. Er insistierte jedoch darauf, dass sein Hanf getestet wurde, und drohte mit einer Schadenersatzklage. Aus den Labors der Polizei kam dann die Entwarnung: Der THC-Gehalt war tief genug.
TCH versus CBD
THC (Tetrahydrocannabinol) ist mit seinen psychoaktiven Eigenschaften für den eigentlichen «Flash» beim Kiffen verantwortlich. THC ist ein Cannabinoid. Cannabinoide sind chemische Verbindungen, die es in keiner anderen Droge gibt. Bis heute sind rund 120 dieser Verbindungen bekannt. Das THC ist die bekannteste.
In den letzten Jahren ist ein zweites Cannabinoid in den Fokus geraten: Cannabidiol (CBD). Im Gegensatz zum THC wirkt CBD nicht psychoaktiv.
Zurzeit versuchen viele ProduzentInnen, ihren Hanf so zu züchten, dass er einen möglichst hohen CBD-Gehalt hat. Denn je höher der Gehalt, desto stärker die Wirkung.
In einem Zürcher Vorort baut T.B. legalen Hanf mit hohem CBD-Anteil an. «Das Geschäft läuft ausgezeichnet, wir haben schon vor der Ernte alles verkauft», sagt er. «Vor rund zwei Jahren schrieb ich der Staatsanwaltschaft ein Mail und teilte ihr mit, dass ich Cannabis mit einem THC-Anteil von unter einem Prozent anbauen würde.» Die zuständige Staatsanwältin sei völlig ausgeflippt. «Sie fragte mich, ob ich sie verarschen wolle, und teilte mir mit, dass mein Vorhaben höchst illegal sei», so T.B. Damals habe er gemerkt, dass bei den Strafverfolgungsbehörden eine grosse Unkenntnis über die Rechtslage herrsche. Von seinem Vorhaben hat er sich dennoch nicht abbringen lassen.
Inzwischen besitzt T.B. einen Raum mit insgesamt 1125 Pflanzen. «Die Züchtung von Hanf mit einem THC-Anteil unter einem Prozent und einem hohen CBD-Anteil ist ein langer Prozess», erklärt T.B. Um solche Pflanzen zu erhalten, hat er THC-armen Industriehanf mit hochwertigem illegalem Rauchhanf gekreuzt. «Die Pflanzen sollen so wenig THC haben wie Industriehanf, jedoch den Geschmack und das Aussehen von Indoorpflanzen.» Volle zwei Jahre dauerte es, bis er mit dem Resultat zufrieden war.
«Die Zucht ist das Einzige, für das man mich strafrechtlich belangen könnte», sagt er. Denn dafür benötigt er Pflanzen mit einem höheren THC-Anteil. Seinen Produktionsraum will er mir nicht zeigen. Vor kurzem wurde er gewarnt: Jemand wolle ihm seine Mutterpflanze stehlen. «Zurzeit ist die Zahl der Produzenten noch beschränkt, und jeder versucht, die bessere Pflanze als die Konkurrenz zu züchten», sagt T.B.
Platzt die CBD-Blase?
«Die Nachfrage nach CBD-Hanf wird nie so gross sein wie die nach illegalem Hanf», sagt der Produzent und Unternehmer. Wie sich der Markt entwickeln werde, sei momentan noch schwierig zu sagen. «Am Anfang sind alle neugierig und wollen einmal probieren.»
Momentan ist die Nachfrage hoch und das Angebot knapp. «Jeder möchte jetzt ins Geschäft einsteigen, doch bald wird der Preis fallen», sagt T.B. Am Schluss würden nur die grossen Produzenten, die qualitativ hochwertige Produkte anbieten, überleben, meint er.
Rein optisch ist es unmöglich, den legalen Hanf vom illegalen zu unterscheiden. Wird man von der Polizei kontrolliert, so konfisziert sie auch den legalen Hanf.
Verkäufer und Produzenten distanzieren sich deshalb von der medizinischen Wirkung und bitten die Konsumenten ihre eigenen Erfahrungen zu machen.
Gemäss der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte kann CBD jedoch bei mittelschwerer bis schwerer Spastizität bei Multipler Sklerose (MS) von Ärzten verschrieben werden. Dafür müssen Ärzte darlegen, dass die Krankheit die Lebensqualität schwer beeinträchtigt und andere Therapien keinen Erfolg gebracht haben.
Quelle: woz.ch (12.01.2017)
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